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Neben dem Pappkameraden steht Hauptmann Christian Schneider, ein großer Mann mit grünen Augen und raspelkurzen, schwarzen Haaren. Er steht so aufrecht, dass man unweigerlich auch Haltung annimmt. Schneider ist Kompaniechef des 8. Wachbataillons und seit elf Jahren Soldat. Er hat Hunderte Neuanfänger bei der Bundeswehr erlebt. "Das ist ein neuralgischer Zeitpunkt", sagt er. Deswegen hat er für seine neuen Schützlinge Hinweisschilder aufbauen lassen. "Rekrutensicher",[link widoczny dla zalogowanych], erklärt der Hauptmann und lacht. Seit einem Jahr ist der Wehrdienst freiwillig. Seitdem muss die Bundeswehr sich darum bemühen,[link widoczny dla zalogowanych], dass die Menschen zu ihr finden.
"Karriere-Trucks" der Bundeswehr werben jetzt auf Jugendmessen für einen "innovativen, starken, kreativen Arbeitgeber." Und die Kompaniechefs und Gruppenführer haben einen neuen Befehl. Der heißt lapidar ausgedrückt: Sanfter angehen. Das gefällt nicht unbedingt allen, aber um individuelle Vorlieben geht es beim Militär nicht. Ein 18-Jähriger mit schlabberigen Jeans, Kapuzenjacke und Sneakers schleicht jetzt am Pappkameraden vorbei zu dem Zeltdach, unter dem vier Soldaten in Feldanzügen seine Meldung aufnehmen. Er ist sichtlich angespannt. Dass er es bis hierhin geschafft hat, bedeute nicht, dass die Bundeswehr ihn behalten wird. Auch für die Rekruten hat sich die Situation geändert. Auch sie müssen sich erst beweisen. Rund ein Viertel der Freiwilligen beendet den Wehrdienst vorzeitig - und nur die Hälfte davon tut dies auf eigenen Wunsch.
"Wo kommen Sie her?", fragt der erste Soldat schroff. Der Junge überlegt, "NRW", sagt er zögernd. Er scheint sehr erleichtert, als die Antwort akzeptiert wird. Ein anderer Soldat streckt ihm eine rote Chipkarte entgegen. "Das ist ihre Essensmarke. Die müssen sie immer am Mann tragen, wenn sie in die Kantine gehen." - "Ok", antwortet der 18-Jährige. "Ok. gibt es ab jetzt nicht mehr", sagt der Soldat,[link widoczny dla zalogowanych], "aber dazu kommen wir später." So richtig scheint das "Sanfter Angehen" noch nicht zu funktionieren. Oder ist das vielleicht bereits sanfter?
Als die Wehrpflicht aussetzte, da beschworen Kritiker die Katastrophe. Statt dem Staatsbürger in Uniform käme jetzt der "Prekarier in Uniform", von einer zukünftigen "Unterschichtsarmee" war zu lesen, das Engagement junger Leute für die Gesellschaft würde nun noch mehr zurückgehen. Christian Schneider aber freute sich auf die Zäsur. Auf 55 Jahre Automatismus folgt Eigeninitiative. "Ich dachte: jetzt kommen die, die wirklich ihren Dienst in den Streitkräften leisten wollen", sagt Schneider. "Jeder Soldat ist verschieden", fügt er hinzu, "aber jeder passt in einen Rahmen". Seinen neuen Untergebenen hat er vor ein paar Wochen einen Begrüßungsbrief geschickt: "Ich möchte mich bedanken, dass Sie bereit sind, einen Beitrag für Frieden,[link widoczny dla zalogowanych], Recht und Freiheit in unserem Land zu leisten." Die Soldaten sollen ein Gefühl dafür bekommen, wie wichtig sie sind. "Wir brauchen jeden Mann", sagt Feldwebel Phillip Rabe.
Im Flur beginnen gerade die ersten Übungen des Tages. Es ist zwei Uhr Nachmittags, von den 35 Neuen sind die meisten eingetroffen, wer zu lang trödelt, der riskiert, dass die Feldjäger ausrücken, schnüffeln.
Jetzt zeigt sich, was Schneider vorher als "intrinsische Bereitschaft" der Freiwilligen bezeichnete. Bei jeder anderen Meute Halbstarker wäre längst der erste blöde Spruch fällig, aber die 30 Menschen,[link widoczny dla zalogowanych], die sich da gerade bemühen, zum ersten Zug des 8. Wachbatallion zu werden, sind voll darauf konzentriert, mit ihren Füßen 60 Grad Winkel herzustellen. Sie wollen gefallen. Es braucht seine Zeit, bis die Zivilisten sich daran gewöhnen, dass sie jetzt Teil einer Truppe sind. "Man muss erst eine gemeinsame Funkfrequenz finden", erklärt Hauptmann Schneider.
Julia Wieczorek hat sie schon. Die 23-Jährige strahlt. Sie hat sich ihren Herzenswunsch erfüllt und sich für ein Jahr Bundeswehr verpflichtet. Die Frauenquote bei den Freiwilligen liegt um die acht Prozent. In ihrer Gruppe aber ist die junge Frau aus Pankow die einzige. Doch die Übermacht der Jungs konnte Julia Wieczorek nicht abschrecken. Und das Gebrülle? "Der Ton ist ein bisschen straffer", räumt Wieczorek ein, "aber das habe ich so erwartet". Wieczorek ist bereits Expertin. Sie hat ein Praktikum in der Julius-Leber-Kaserne absolviert und ihre Bachelor-Arbeit hat sie über "Personlagewinnung bei der Bundeswehr" geschrieben. Um die steht es, laut offiziellen Angaben,[link widoczny dla zalogowanych], übrigens nicht schlecht. 20.000 Bewerber gab es im vergangenen Jahr für die rund 12.000 Stellen des Freiwilligen Wehrdienstes. Aus 30 Prozent der Freiwilligen werden Zeitsoldaten, die Bewerberquote bei den Offizieren ist sechs zu eins. "Vieles läuft gut, manches könnte besser laufen", erklärt Wieczorek das Fazit ihrer Untersuchung. Was zum Beispiel? "Die Kommunikation." Was bringt einen jungen Menschen - zumal mit Studienabschluss - dazu, die nächsten zwölf Monate mit Gleichschritt zu verbringen? "Bei der Bundeswehr hat jeder eine andere Aufgabe", sagt Wieczorek, "und doch sind alle gleich." So wie sie haben sich fast alle Rekruten gut auf diesen ersten Tag vorbereitet. Offiziell, über die Wehrdienstberater und die Kreiswehrersatzämter, wo man sich für den Dienst bewerben musste,[link widoczny dla zalogowanych], und inoffiziell, über zahlreiche Erfahrungsberichte, die in Internetforen kursieren.
Artem Sokolowski aus Dorsten in Westfalen wollte eigentlich mal Gebirgsjäger werden. Bei der Musterung stellte sich jedoch heraus, dass sein linker Fuß etwas schräg steht. Seine Bewerbung 2011 wurde abgelehnt. Jetzt hat er sich für das Wachbataillon entschieden. Er ist 18 Jahre alt und hat gerade seinen Hauptschulabschluss hinter sich. Die Bundeswehr flößt ihm Respekt ein. Vor allem die sportlichen Leistungen, die hier von ihm verlangt werden. "Das Joggen könnte ein Problem werden." Sokolowski aber ist fest entschlossen,[link widoczny dla zalogowanych], durchzuhalten. "Dann habe ich etwas geschafft,[link widoczny dla zalogowanych], was nicht jeder schafft."
Jahrzehntelang hat die Aussicht auf Schliff, Zucht und Ordnung viele junge Männer abgeschreckt. Doch die Bewerber für den Freiwilligen Wehrdienst scheinen genau das zu suchen. "Die Disziplin schreckt ihn nicht ab. Eher das Kantinenessen. Von dem habe er nicht nur Positives gehört.
Für großen Erfahrungsaustausch bleibt an diesem ersten Tag aber nicht viel Luft. Paul Treit, ein 18 Jahre alter Abiturient aus Paderborn, ist noch ganz gefangen von der ersten Übung. "Ist etwas ganz Neues", kommentiert er die für ihn noch sehr ungewohnte Direktheit der Befehle.
Dann aber heißt es wieder antreten, was jetzt schon deutlich besser klappt. Feldwebel korrigieren die Abstände zwischen den Soldaten. Wer nicht möchte,[link widoczny dla zalogowanych], dass ihn dabei jemand anfasst, der soll sich vorher melden. Und das tut natürlich keiner.
Sind diese 30 Soldaten, die gerade ihren ersten Tag absolvieren, die Richtigen, auf die er bei der Aussetzung der Wehrpflicht gehofft hat? Bislang hat sich das Niveau der Bewerber laut offiziellen Angaben nicht verändert. Nicht zum Besseren,[link widoczny dla zalogowanych], nicht zum Schlechteren. So ist jedenfalls die offizielle Lesart. Aber der Freiwillige Wehrdienst ist ja gerade erst ein Jahr alt. Wird es bei denen, die heute anfangen anders sein? Schneider ist auf jeden Fall bereit, daran zu glauben. "Wer sich aus eigenem Antrieb für die Bundeswehr entscheidet, mit dem kann man viel mehr erreichen", sagt er.
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